Samstag, September 27, 2008

"Der Baader-Meinhof-Komplex" kommt in die Kinos

Der Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" ist angelaufen, nachdem er letzte Woche kurz vor der Premiere für den Oscar besten ausländischen Films nominiert wurde.

Während der Spiegel auf dem Titelblatt der gedruckten Ausgabe von der Zerstörung des Mythos RAF spricht, sind andere Blätter eher kritisch, was die Entmythologisierung der RAF angeht. So bezeichnet Michael Althen in seiner Filmkritik im Feuilleton der FAZ (Nr. 224 v. 24. September 2008, S. 33) den Film als Politporno. Er bestehe "....nur aus Höhepunkten - der Rest ist Hummersuppe. Er verhält sich zu einem komplexeren Film wie ein Porno zum Liebesfilm. Wo der eine weiß, wie kompliziert die Dinge liegen, kennt er nur Eskalation. Das ist das Gegenteil von Haltung. Und deswegen sieht der Film die Terroristen am Ende eben doch so, wie sie nie waren."



Auch der frühere Innenminister Gerhard Baum weist daruf hin, dass der Film keine neue Erkenntnisse vermittle. Darüber hinaus warnt er: "Der nichtinformierte Besucher könnte das Kino mit der irrigen Ansicht verlassen, er habe nun die Geschichte des deutschen Terrorismus gesehen. Wichtige Zeitumstände bleiben leider ausgeblendet..." [Baum 2008, Es war kein Krieg, in. Die Zeit Nr. 39 - 18.09.08, 50). Der Film sei "gut gemacht", werde die Debatte sicherlich um die RAF neu entfachen, jedoch nicht verändern. [Vgl. ebd. 49]. Dennoch zeigt er sich von der Realtitäsnähe, mit der in beklemmenden Szenen die Taten nachgespielt werden. Es ist kein Dokumentarfilm im eigentlichen Sinne, aber ein von realen Ereignissen geprägter Film. Wir sind unmittelbar dabei, wenn auf Ohnesorg, Dutschke, Buback, Ponto und andere geschossen wird. Wir werden zu Zeugen der Zwangsernährung von Holger Meins, der trostlosen Situation der Täter in der isolierten Einzelhaft oder der kommunenartigen Gemeinschaft in Stammheim. Der ganze Film besteht aus Szenen, die mich Ereignisse aus nächster Nähe nacherleben lassen, um die ich zwar wusste, die ich aber nie gesehen hatte. Die Fantasie wird lebendig: Wir haben damals die Tatorte gesehen, aber nicht die Ausführung der Taten, deren Brutalität uns so tief getroffen hat. [vgl. eb.d 49]

Gestern habe ich mir den Film dann selbst angesehen und ich muss sagen, ich war beeindruckt, auch von der schauspielerischen Leistung. Anfangs konnte ich jedenfalls die Wut nachvollziehen. Die Studentenrevolte hatte ja durchaus auch berechtigte Wurzeln. Er erinnerte mich an den Film "Ich bin ein Elefant, Madame" von Peter Zadek, den ich damals aus 15jähriger Schüler auf einem SMV-Filmnachmittag sah. Erst später las ich die Romanvorlage von Thomas Valentin, Die Unberatenen". Der immer wieder zitierte Satz von Brigitte Mohnhaupt am Ende des zur Entmythologiserung des RAF Hört auf sie zu sehen, wie sie nicht waren" war für mich stimmig. Ich konnte das Abgleiten in der Terrorismus, vor allem von Ulrike Meinhof nicht nachvollziehen. Sie sind überdrehte und hysterische Irregeleitete, denen es nur noch ums Töten ging. ICh erinnere mich an den Morgen, als ich erfuhr, dass Baader, Ensslin und Raspe sich umgebracht haben, an eine große Erleichterung.

Was der Film allerdings nicht konsequent erzählt ist die zunehmende Panik des Staates, der unter der Bedrohung Grundrechte beschädigte. " Es wäre gut gewesen", sagt Baum, "wenn der Film auch den im Ausnahmezustand der Angst ins Wanken geratenen Rechtsstaat thematisiert hätte." [ebd. 50]Dieses Thema wurde meines Erachtens besser in "Stammheim" (1985) verfilmt.

Dennoch muss man den Film gesehen haben, zeigt er doch, wenn auch bruchstückhaft, wichtige Ereignisse in der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik. Ob jüngere Leute diesen Film, jenseits des Actionspektakels, verstehen, bleibt abzuwarten. Wir sollten gesprächsbereit sein.
Dokumentation über die Baader-Meinhof Gruppe


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