Terror in der Oper - Richard Strauss' Salomé in Stuttgart
So betitelte ihre Premierenkritik in den Stuttgarter Nachrichten vom Salomé eigentlich wisse, was sie tue, wenn sie den Kopf des Propheten Johannes des Täufers fordert. Am Freitag, den 28 April 2017 wurde die Oper nun zum letzten aufgeführt. Ein beeindruckendes Erlebnis, und zugleich meine erste Strauss-Oper.
Richard Strauss‘ Oper Salomé basiert auf dem gleichnamigen
Theaterstück von Oscar Wilde aus dem Jahre 1882. Im Gegensatz zur biblischen Vorlage
(vgl. Mt 14,3-11 , Mk 6,17-28) – Herodes lässt Johannes der Täufer köpfen, weil
seine Stieftochter Salomé, angestachelt durch ihre Mutter Herodias, für einen
Tanz ihm abringt, ihr jeden Wunsch zu erfüllen - steht im Zentrum von Wildes Adaption des
Stoffes die Rache einer unglücklichen Verliebten, die vom Propheten
zurückgewiesen wird, in den sie sich verliebt hat. Es ist ein Tod aus Liebe. (Zu den Hintergründen und Vorlagen zu Wildes
Stück, etwa die Erzählung „Herodias 18177“
von Gustave Flaubert, siehe: Wilde and the
legend of Salomé in the Nineteenth Century. Siehe auch: Oscar
Wilde and the French Decadents, 2014)
Salomé: „Jochanaan!
Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiß wie die Lilien
auf einem Felde, von der Sichel nie berührt. Dein Leib ist weiß wie der Schnee
auf den Bergen Judäas. Die Rosen im Garten von Arabiens Königin sind nicht so
weiß wie dein Leib, nicht die Rosen im Garten der Königin, nicht die Füße der Dämmerung
auf den Blättern, nicht die Brüste des Mondes auf dem Meere, nichts in der Welt
ist so weiß wie dein Leib. Laß mich ihn berühren, deinen Leib!“ Aber
Jochanaan entgegnet: „Zurück, Tochter
Sodoms! Berühre mich nicht! Entweihe nicht den Tempel des Herrn, meines Gottes!“
(Wilde, Salomé) Als die Soldaten Salomé den Kopf des Jochanaan
bringen, sagt sie: „Ah! Du wolltest mich
nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan! Wohl, ich werde ihn jetzt küssen! Ich will mit meinen Zähnen hineinbeißen, wie man in
eine reife Frucht beißen mag. Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund,
Jochanaan. Ich hab' es gesagt. Hab' ich's nicht gesagt? Ja, ich hab' es gesagt.
Ah! Ah! Ich will ihn jetzt küssen... Aber warum siehst du mich nicht an,
Jochanaan?“ Dazu schreibt Hans-Jürgen
Benedict: „Eine abstoßende und
zugleich berührende Szene. Eine junge Frau im Dialog mit einem Toten, für
dessen Tod sie verantwortlich ist. Und den sie aus Liebe hat töten lassen.“
Richard Strauss kam durch eine Bitte des Wiener Dichters
Anton Lindner mit dem Stück in Berührung. Er solle aus dem Drama ein Libretto
formen. Nach Fertigstellung von Libretto und Partitur wurde die Oper Salomé am 9. Dezember in Dresden uraufgeführt. (Vgl. Salomé_Oper). Durchkomponiert
und auf Leitmotiven beruhend gelang es Strauss mit seiner Musik „…Wagners Sehnsucht
nach Schönklang
einerseits, von dessen romantischer Weltsicht andererseits“ zu überwinden. (ebd.) Die auftretenden
Figuren seien laut Strauss selbst „lauter
perverse Leute, und, nach meinem Geschmack, der perverseste der ganzen
Gesellschaft ist – der Jochanaan.“ Oder sie sind – wie der Narraboth als Ausnahme – hoffnungslos naiv. Im Laufe des
95-minütigen Einakters sterben drei – Narraboth durch Suizid auf offener Bühne,
Jochanaan und Salome durch illegitime Todesurteile. Die Musik dazu ist
entsprechend wild: „Das Ausmaß an Dissonanzen, an Orchestervolumen, an schierer
musikalischer Kakophonie wie in der Salome
hatte es bislang noch nicht gegeben.“ (ebd.).
Die Inszenierung von Kirill
Serebrennikov am Opernhaus in Stuttgart - Premiere war November 2017 – überträgt
dies in die heutige Zeit auf dem Hintergrund von Terror und Islamismus. Er
erzählt die Version die Geschichte einer kaputten Familie in einer kaputten
Welt. "Er tut dies ohne zu werten und ohne ideologische
Schwarz-Weiß-Malerei. In sein hochmusikalisches Gesamtkunstwerk sind dabei auch
Zitate von Terroristen-Videos verwoben…. Als sein zentrales Anliegen bezeichnet
der Regisseur, in der Möglichkeit der Liebe einen Ausweg zu weisen aus dem
Teufelskreis der Gewalt, in dem unsere heutige Welt gefangen ist.", so
lautet die Ankündigung der Inszenierung von Kirill
Serebrennikov.
Kirill Serebrennikovs Salomé "ein keine verführerische, laszive Schönheit, sondern ein trotziger, trampeliger Teenager in Dr.-Martens-Stiefeln und schwarzem Kapuzenpulli: verloren, verwirrt, allein gelassen.", schreibt Verena Grosskreutz.
Desweiteren doppelt der Regisseur die Figur des Jochanaan. Ian Patterson singt die Gesangspartien, während der geschundene und oft misshandelte Körper des Propheten von einem jungen Araber dargestellt wird, dessen Leid und Schicksal auch an die unsäglichen Misshandhandlungen und Folterungenvon muslimischen Gefangenen im Gefägnis Abu Ghraib erinnern.
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