Sonntag, April 30, 2017

Zum letzten Mal: Terror in der Oper - Richard Strauss' Salomé in Stuttgart April 2017

Terror in der Oper - Richard Strauss' Salomé in Stuttgart

 So betitelte ihre Premierenkritik in den Stuttgarter Nachrichten vom  Salomé eigentlich wisse, was sie tue, wenn sie den Kopf des Propheten Johannes des Täufers fordert. Am Freitag, den 28 April 2017 wurde die Oper nun zum letzten aufgeführt. Ein beeindruckendes Erlebnis, und zugleich meine erste Strauss-Oper.

Richard Strauss‘ Oper Salomé basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Oscar Wilde aus dem Jahre 1882. Im Gegensatz zur biblischen Vorlage (vgl. Mt 14,3-11 , Mk 6,17-28) – Herodes lässt Johannes der Täufer köpfen, weil seine Stieftochter Salomé, angestachelt durch ihre Mutter Herodias, für einen Tanz ihm abringt, ihr jeden Wunsch zu erfüllen -  steht im Zentrum von Wildes Adaption des Stoffes die Rache einer unglücklichen Verliebten, die vom Propheten zurückgewiesen wird, in den sie sich verliebt hat. Es ist ein Tod aus Liebe. (Zu den Hintergründen und Vorlagen zu Wildes Stück, etwa die Erzählung „Herodias 18177“ von Gustave Flaubert, siehe: Wilde and the legend of Salomé in the Nineteenth Century. Siehe auch: Oscar Wilde and the French Decadents, 2014)

Salomé: „Jochanaan! Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiß wie die Lilien auf einem Felde, von der Sichel nie berührt. Dein Leib ist weiß wie der Schnee auf den Bergen Judäas. Die Rosen im Garten von Arabiens Königin sind nicht so weiß wie dein Leib, nicht die Rosen im Garten der Königin, nicht die Füße der Dämmerung auf den Blättern, nicht die Brüste des Mondes auf dem Meere, nichts in der Welt ist so weiß wie dein Leib. Laß mich ihn berühren, deinen Leib!“ Aber Jochanaan entgegnet: „Zurück, Tochter Sodoms! Berühre mich nicht! Entweihe nicht den Tempel des Herrn, meines Gottes!“  (Wilde, Salomé)  Als die Soldaten Salomé den Kopf des Jochanaan bringen, sagt sie: „Ah! Du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan! Wohl, ich werde ihn jetzt küssen! Ich will mit meinen Zähnen hineinbeißen, wie man in eine reife Frucht beißen mag. Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund, Jochanaan. Ich hab' es gesagt. Hab' ich's nicht gesagt? Ja, ich hab' es gesagt. Ah! Ah! Ich will ihn jetzt küssen... Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan?“ Dazu schreibt Hans-Jürgen Benedict: „Eine abstoßende und zugleich berührende Szene. Eine junge Frau im Dialog mit einem Toten, für dessen Tod sie verantwortlich ist. Und den sie aus Liebe hat töten lassen.“

Richard Strauss kam durch eine Bitte des Wiener Dichters Anton Lindner mit dem Stück in Berührung. Er solle aus dem Drama ein Libretto formen. Nach Fertigstellung von Libretto und Partitur wurde die Oper Salomé  am 9. Dezember in Dresden uraufgeführt. (Vgl. Salomé_Oper). Durchkomponiert und auf Leitmotiven beruhend gelang es Strauss mit seiner Musik „…Wagners Sehnsucht nach Schönklang einerseits, von dessen romantischer Weltsicht andererseits“ zu überwinden. (ebd.) Die auftretenden Figuren seien laut Strauss selbst „lauter perverse Leute, und, nach meinem Geschmack, der perverseste der ganzen Gesellschaft ist – der Jochanaan.“ Oder sie sind – wie der Narraboth als Ausnahme – hoffnungslos naiv. Im Laufe des 95-minütigen Einakters sterben drei – Narraboth durch Suizid auf offener Bühne, Jochanaan und Salome durch illegitime Todesurteile. Die Musik dazu ist entsprechend wild: „Das Ausmaß an Dissonanzen, an Orchestervolumen, an schierer musikalischer Kakophonie wie in der Salome hatte es bislang noch nicht gegeben.“ (ebd.).  

Die Inszenierung von  Kirill Serebrennikov am Opernhaus in Stuttgart - Premiere war November 2017 – überträgt dies in die heutige Zeit auf dem Hintergrund von Terror und Islamismus. Er erzählt die Version die Geschichte einer kaputten Familie in einer kaputten Welt. "Er tut dies ohne zu werten und ohne ideologische Schwarz-Weiß-Malerei. In sein hochmusikalisches Gesamtkunstwerk sind dabei auch Zitate von Terroristen-Videos verwoben…. Als sein zentrales Anliegen bezeichnet der Regisseur, in der Möglichkeit der Liebe einen Ausweg zu weisen aus dem Teufelskreis der Gewalt, in dem unsere heutige Welt gefangen ist.", so lautet die Ankündigung der Inszenierung von Kirill Serebrennikov.

Kirill Serebrennikovs Salomé  "ein keine verführerische, laszive Schönheit, sondern ein trotziger, trampeliger Teenager in Dr.-Martens-Stiefeln und schwarzem Kapuzenpulli: verloren, verwirrt, allein gelassen.", schreibt Verena Grosskreutz. 

Desweiteren doppelt der Regisseur die Figur des Jochanaan. Ian Patterson singt die Gesangspartien, während der geschundene und oft misshandelte Körper des Propheten von einem jungen Araber dargestellt wird, dessen Leid und Schicksal auch an die unsäglichen Misshandhandlungen und Folterungenvon muslimischen Gefangenen im Gefägnis Abu Ghraib erinnern. 

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